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Holocaust Mahnmal Berlin Stelenfeld

Holocaust-Mahnmal (Frühjahr 2004)

Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas, kurz Holocaust-Denkmal, soll als Mahnmal für die unter der Herrschaft des Nationalsozialismus im Holocaust ermordeten Juden dienen. 2003 wurde im Zentrum Berlins auf einer etwa 19.000 m² großen Fläche nahe dem Brandenburger Tor mit dem Bau begonnen.


Beschreibung

Auf der gewellten Grundfläche werden genau 2.711 Betonquader ("Stelen") in parallelen Reihen aufgestellt (54 Nord-Süd und 86 Ost-West-Achsen). Die Stelen sind bei gleichem Grundriss (2,38 m x 0,95 m) sehr unterschiedlich hoch, zwischen ebenerdig (112 Stück im Gehweg) und 4,7 m; die Bodenfläche führt unter Niveau der Straßen. Die gleichmäßig 0,95 m schmalen Gänge dazwischen werden von Besuchern voll begehbar sein.

Ein unterirdisches Museum ergänzt den Komplex. Es wird unter anderem eine Liste aller Namen der bekannten jüdischen Holocaustopfer enthalten.

Zur Bedeutung des Holocaust-Denkmals

Die Stelen symbolisieren Grabflächen; die zur Mitte hin tiefer werdenden Gänge erinnern an den Gang in den Hades.

In den schmalen Gängen wird die Begegnung mit anderen einen Akt der Höflichkeit verlangen. Und soweit die Stelen vom Rand des Feldes in einer gewellten Gesamt-Oberfläche über Niveau hinaufreichen, so weit sinkt der Boden mittig auch zu einer Mulde ab, wo die ganz hohen Stelen ihre Atmosphäre verbreiten. Am anderen Ende des Grabfeldes - in einer Ecke im Untergeschoss - ein kleiner "Ort der Information". Die Stelen werden etwas schräg, wie kipplig, gestellt.

Da sind 2.700 (Massen-) Gräber, bestehen Ähnlichkeiten mit Sarkophag-Gräbern jüdischer Friedhöfe, die bei Platzmangel für die ewigen jüdischen Grabstellen aufeinander geschichtet werden (drei Handbreit Abstand reichen aus), so wie z. B. am Ölberg in Jerusalem.

Worum geht es beim Gedenken in den betonierten Gängen über den Bunkern des Joseph Goebbels zwischen den kalten grauen Stelen auf ebenso grauen Betonsteinen in jenem zentralem bundesdeutschen Monument? Der Architekt Peter Eisenman sagt zum Denkmal, das Raster stehe auch für "die einem scheinbaren System inhärente Instabilität" (in: Stiftung Denkmal..., Jahresbericht 2000 - 2002).

Der Förderkreis um Lea Rosh: "Die älteste und verbreitetste Form eines Denkmals ist das Grabdenkmal, das an einen Toten oder an mehrere Tote erinnert, zumal wenn sie gemeinsam den Tod gefunden haben. Man denke nur an die zahllosen Kriegerdenkmäler. Dabei handelt es sich entweder um Gräber auf Soldatenfriedhöfen oder um leere Denkmäler (Kenotaphe). Die meisten ermordeten Juden haben kein Grab. Das Denkmal in Berlin hat auch die Bedeutung eines Kenotaphs. Daher ist es von großer Bedeutung, daß in dem angeschlossenen “Ort der Information” die Namen der Opfer verzeichnet werden. Die in Yad Vashem seit langem bestehende Namensammlung wird nach Berlin übernommen und soll dort ergänzt werden. Gelegentlich wurde auch eingewandt, ein Denkmal (nur) für die Juden hebe diese hervor und setze die anderen Opfer zurück. Doch nicht die Opfer werden hierarchisiert, wohl aber die historischen Vorgänge. Der Mord an den Juden Europas ragt aus den übrigen Naziverbrechen hervor, und deswegen verdient er ein besonderes Denkmal." (www.holocaust-denkmal-berlin.de)

Die Stiftung: "Das Durchschreiten der Reihen kaum merklich geneigter Pfeiler, die auf schwankendem Boden zu stehen scheinen, kann ein Gefühl der Verunsicherung erzeugen; zugleich werden die überschaubaren Dimensionen der Pfeiler verhindern, dass die Besucher sich überwältigt oder ins Unbedeutende herabgesetzt fühlen." (in: www.stiftung-denkmal.de). Wir werden sehen, ob die Kunst des Architekten nicht tiefer geht.

Die Wettbewerbsbegründung Peter Eisenmans (zuerst zusammen mit dem Bildhauer Richard Serra, der nach den Veränderungen der ersten Konzeption und des Bauplatzes ausschied) liest sich zur Gestaltung u. a. so: "Die Höhendifferenz zwischen Bodenfläche und Oberkante der Pfeiler scheint zufällig und belanglos, als wäre es eine reine Frage des Ausdrucks; dies ist jedoch nicht der Fall. Jede Fläche wurde durch die Schnittpunkte der Leerstellen des Pfeilerfeldes mit den Rasterlinien des größeren urbanen Kontexts von Berlin bestimmt." Und: "Das Ausmaß und der Maßstab des Holocaust macht jeden Versuch, ihn mit traditionellen Mitteln zu repräsentieren, unweigerlich zu einem aussichtslosen Unterfangen. Die Erinnerung an den Holocaust kann niemals Nostalgie sein." (in: Stiftung Denkmal..., Jahresbericht 2000 - 2002).

Eisenman sieht offensichtlich das Denkmal als Leerstelle, eine Leerstelle, aus der Neues wächst. Beim Setzen der letzten Stele am 15. Dezember 2004 sagt er (in einem Spiegel-Interview, 52/ 2004) auf die Frage, was es den Deutschen sagen soll und was seine Absicht gewesen sei? "Nichts - Es soll still sein wie die Menschen in Auschwitz. - Die Absicht war, keine Absicht zu haben". "Manche sagen, das Denkmal sehe aus wie ein Friedhof." - "Das kann ich nicht ändern". Und: "Graffiti wären gut".

Geschichte des Denkmals

1988 regt die jüdische Publizistin Lea Rosh den Bau des Denkmals an. Ein Förderkreis wird gegründet, der Vorschlag findet zunehmend Unterstützung, Spenden werden gesammelt, und im Mai 1994 wird ein Wettbewerb ausgeschrieben. Berlin, der Bund und der Förderkreis einigen sich auf den Entwurf von Christine Jackob-Marks: eine 20000 Quadratmeter große schiefe Betonebene, mit eingemeißelten Namen der Opfer. Bundeskanzler Helmut Kohl lehnt den Entwurf im Juni 1995 ab.

Im Juli 1997 werden erneut Entwürfe eingeholt. Der Vorschlag des New Yorker Architekten Peter Eisenman wird angenommen, jedoch mehrfach verändert, etwa auch um ein unterirdisches Museum ("Ort der Information") ergänzt.

Am 25. Juni 1999 beschließt der deutsche Bundestag mit großer Mehrheit den Bau des Denkmals. Kosten von 54 Millionen Mark werden für die Errichtung des Denkmals und des angegliederten Museums eingeplant.

Die israelische Holocaustgedenkstätte Yad Vashem erklärt sich im Jahre 2000 bereit, eine Liste aller Namen der bekannten jüdischen Holocaust-Opfer für den Ort der Information zur Verfügung zu stellen.

Nach einer Verzögerung durch Fehler bei der europaweiten Ausschreibung begann der Bau am 1. April 2003.

Im Oktober 2003 kam es zu einer Unterbrechung der Arbeiten, als bekannt wurde, dass von der ausführenden Firma für den Bau der Fundamente und der Stelen ein Betonverflüssiger und ein Anti-Graffiti-Schutz der Degussa AG verwendet wurde. Die Degussa-Tochter Degesch hatte während der Zeit des Nationalsozialismus das Giftgas Zyklon B hergestellt, das in den Konzentrationslagern zur Ermordung von Juden eingesetzt wurde. Am 13. November 2003 beschloss das Kuratorium der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas den Weiterbau mit weiterer Beteiligung der Degussa.

Holocaust-Denkmal im Bau 1

Holocaust-Mahnmal im Bau (März 2004)

Holocaustdenkmal im Bau (August2004)

Holocaust-Mahnmal im Bau (August 2004)

Am 12. Juni 2004 war der Rohbau des "Ortes der Information" fertiggestellt, inzwischen stand circa die Hälfte der insgesamt 2.751 Stelen. Beim Richtfest waren neben den Stiftungsmitgliedern und dem Architekten Peter Eisenman zahlreiche Vertreter der Presse anwesend. Ein Teil des Stelenfeldes war erstmals für die Öffentlichkeit begehbar.

Am 15. Dezember 2004 wurde mit einem öffentlichen Festakt der letzte der insgesamt 2711 Betonstelen gesetzt. Gleichzeitig wurde mit dem Bepflanzen mit Nadelbäumen begonnen.

Mit der Einrichtung der von Dagmar von Wilcken gestalteten Ausstellung am "Ort der Information" wird Ende 2004 begonnen, die Eröffnung des Denkmals und des Orts der Information ist für den 9. Mai 2005 geplant.

Diskussion

In der Öffentlichkeit gab und gibt es kontroverse Dikussionen um Form und Größe des Denkmals. Kritisiert wird das Denkmal auch vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma, da zwar an die ermordeten Juden Europas gedacht werde, nicht aber an andere Opfer des NS-Regimes, die ebenfalls im Holocaust ihr Leben ließen, etwa auch Zeugen Jehovas oder Homosexuelle. Die Trennung der Mahnmale für einzelne Opfergruppen wird als Separierung und Hierarchisierung kritisiert.

Ebenfalls Kontroversen gab es um Degussa, den Hersteller der verwendeten Anti-Graffiti-Beschichtung. Eine Tochterfirma dieses Konzerns produzierte seinerzeit das Giftgas Zyklon B der Nazis.

Weblinks

Wikipedia
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